Kampf gegen den Hunger

Durch den Ukraine-Krieg und eine rasant steigende Inflation wird vielen in diesen Tagen bewusst: Es ist nicht selbstverständlich, jeden Tag genügend zu essen zu bekommen. Dabei waren Armut und Hunger schon vorher ein riesiges Problem für die Menschen – zunehmend auch in Deutschland.

Es ist einer der vielen grausamen Aspekte des aktuellen Ukraine-Kriegs: Dringend benötigte Nahrung wird als Waffe missbraucht. Nur mit Mühe war ein Abkommen ausgehandelt worden, nach dem Getreide aus dem angegriffenen osteuropäischen Land exportiert werden konnte. Doch immer wieder wird es von Russland infrage gestellt. Das ist fatal für viele Menschen auf der Welt, gilt die Ukraine doch als eine der Kornkammern dieser Welt. Viele Länder, gerade in Afrika, sind auf diese Exporte angewiesen. Hunger wird auf perfide Weise für Kriegspropaganda genutzt und verschärft dadurch eine Krise, die schon in normalen Zeiten viel Einsatz erfordern würde. Weltweit sind bis zu 828 Millionen Menschen unternährt, 193 Millionen leiden unter akutem Hunger, wie der Welthunger-Index 2022 verrät. Die Gründe sind dabei vielfältig. Manche Länder sind beispielsweise durch anhaltende Dürren überfordert, die Zahl an Missernten wächst rasant. Der Klimawandel kann sich aber auch durch Naturkatastrophen bemerkbar machen. Hinzu kommt, dass ärmere Länder oft in einer Schuldenfalle stecken, aus denen sie aus eigener Kraft kaum noch herauskommen können. Externe Krisen wie die Corona-Pandemie oder die aktuelle Inflation haben die Situation noch weiter verschärft. Gerade in Afrika ist Hunger zu einer Dauerbelastung geworden, rund ein Fünftel der Gesamtbevölkerung hat nicht genug zu essen.

Weltweit sind bis zu 828 Millionen Menschen unterernährt, darunter auch sehr viele Kinder.
Hilfe für die Menschen: Die Welthungerhilfe ist weltweit an Hunderten Projekten beteiligt.

Fernziel Selbstversorgung

Doch was lässt sich in einer Zeit, in der die Herausforderungen von Jahr zu Jahr größer zu werden scheinen, dagegen tun? Eine der Organisationen, die in diesem Bereich den Kampf aufgenommen hat, ist die Deutsche Welthungerhilfe e.V. 1962 gegründet, ist sie heute in 36 Ländern tätig und an mehr als 100 Projekten beteiligt. Dies kann akute Nothilfe bedeuten wie etwa in der Ukraine oder auch in Pakistan, wo Millionen von Menschen von Überschwemmungen betroffen sind. Doch das ist nur eine Facette des Kampfes. Ebenso wichtig ist ein nachhaltiger Ansatz, der es erlaubt, den Hunger dauerhaft zu besiegen. So lernen Frauen und Jugendliche in Kenia, ihre Erzeugnisse besser zu vermarkten und damit die Versorgung der Familie zu sichern. Im Norden Burkina Fasos wird den Menschen dabei geholfen, die Geflügelzucht zu professionalisieren und so ihr Einkommen zu steigern. Oft haben Projekte auch eine Klimaschutz-Komponente: Ob nun Anlagen für Solarenergie im Nord-Irak oder die Nutzung von Wasserkraft in abgelegenen Bergregionen von Tadschikistan, der Blick ist immer auch auf die Zukunft gerichtet. Ziel ist es, dass sich die Menschen irgendwann alle selbst versorgen können und weitere Hilfe gar nicht nötig sein wird. Aber der Weg dorthin ist weit. Trotz vieler kleiner Fortschritte, an vielen Stellen erfordert die Gegenwart schon genug Aufmerksamkeit.

Zunehmende Armut in Deutschland

Das gilt im erschreckenden Ausmaß auch für Deutschland. Obwohl es hierzulande ein im weltweiten Vergleich sehr starkes soziales Netz gibt und man meinen könnte, dass niemand Hunger leiden muss: Die Realität sieht anders aus. Das zeigt ein Blick auf die Arbeit der Tafel Deutschland e.V. Auch diese hat inzwischen eine längere Geschichte: 1993 wurde die erste Tafel gegründet, inzwischen gibt es über 960, die im ganzen Land verteilt sind. Ursprünglich sollte damit Obdachlosen in Berlin geholfen werden. Später kamen nicht nur weitere Städte hinzu, sondern auch weitere Bevölkerungsgruppen, die sich an den Tafeln mit Essen versorgen können. Gerade Rentner und Rentnerinnen sowie Erwerbstätige mit geringem Einkommen sind darauf angewiesen, auf diese Weise Lebensmittel zu erhalten. Hinzu kommen Flüchtlinge, sei es aus der Ukraine oder anderen Ländern. Inzwischen sollen es über die verschiedenen Bevölkerungsgruppen verteilt zwei Millionen Menschen sein, die den Dienst in Anspruch nehmen. Eigentlich hätten sogar noch mehr Bedarf, aber die rund 60.000 ehrenamtlichen Helfer und Helferinnen stehen zunehmend vor der bitteren Aufgabe, Bedürftige wieder wegzuschicken, weil trotz hohen Einsatzes nicht mehr alle versorgt werden können. Rund ein Drittel der Tafeln musste zwischenzeitlich die Notbremse ziehen und einen vorübergehenden Aufnahmestopp verhängen. Andere versuchten, durch geringere Mengen pro Person die Versorgung zu sichern. Auch hier machen sich die rasant steigenden Lebenshaltungskosten bemerkbar: Nahrung ist für Teile der Bevölkerung zu einem Luxusgut geworden. Hunger ist nicht länger ein Konzept, das wir mit fernen Ländern verbinden, sondern Alltag in einem Land, das zu den reichsten der Welt gehört.

Rund 60.000 ehrenamtliche Helfer und Helferinnen versorgen bei der Tafel Deutschland e.V. die Menschen mit Nahrung.
Der Andrang wird immer größer: Viele Freiwillige klagen über eine zunehmende Überbelastung.

Oliver Armknecht

Fotos: Claire Arni/Kai Loeffelbein/Welthungerhilfe, Lisa-Marie Kaspar/Monique Wüstenhagen/Tafel Deutschland e.V.
Der Artikel erschien im Spendenmagazin 2022
.

Kampf gegen den Hunger
Nach oben scrollen