Wasser ist Leben

An Wasser mangelt es auf der Erde nicht, rund 70 Prozent der Oberfläche sind damit bedeckt. Nicht umsonst ist vom Blauen Planeten die Rede. Und doch sind viele Gewässer bedroht – und damit Tiere und Pflanzen, die von einem funktionierenden Ökosystem abhängig sind.

Wenn von bedrohten Gewässern die Rede ist, werden manche an Mikroplastik denken, Erwärmung der Meere oder auch Korallenriffe, um die schon seit Langem gekämpft wird. Dabei gibt es Kämpfe, die nicht minder wichtig sind, aber kaum Aufmerksamkeit erhalten. Und das, obwohl sie in unserer unmittelbaren Nachbarschaft ausgetragen werden. Beispiel Elbe. Natürlich kennen alle den Fluss, der in der Tschechischen Republik entspringt, durch Deutschland fließt und am Ende in die Nordsee mündet. Oder meinen ihn zu kennen. Tatsächlich haben die Menschen über Jahrhunderte immer wieder eingegriffen, etwa durch Deichbau, Laufverkürzungen und Flussbefestigungen, und ihn wesentlich verändert. Aus der Schwarzen Elster, einem Nebenfluss der Elbe, wurde so im Laufe der Zeit ein fast geradliniger Kanal. Das hatte praktische Gründe: kürzere Wege für die Schifffahrt in der Elbe und schneller abfließendes Wasser aus den Tagebauen in der Elster. Es führte aber auch zu unvorhergesehenen Problemen. So sind die Grundwasserspiegel in den Flussauen stetig gesunken, mit erheblichen Auswirkungen für die wertvollen und sensiblen Lebensräume.

Zurück zur Natur

Zusammen mit anderen Organisationen macht sich die Heinz Sielmann Stiftung im Rahmen eines Gesamtkonzepts zur Elbe dafür stark, einige dieser Änderungen wieder rückgängig zu machen. Noch ist man mit den Planungen für das „Naturschutzgroßprojekt Mittelelbe – Schwarze Elster“ beschäftigt, mehrere Jahre wurde an diesen gearbeitet. Bis Anfang 2025 sollen diese aber abgeschlossen sein, Mitte 2025 steht dann die Umsetzung an. Und schon jetzt steht fest, dass sie sehr kostspielig sein wird. „Wir sprechen hier von einer mittleren zweistelligen Millionensumme“, erklärt Dr. Heiko Schumacher, Leiter des Geschäftsbereichs Biodiversität bei der Heinz Sielmann Stiftung. „Dabei spielen auch Spenden eine große Rolle. Wir werden zwar vom Bund und Sachsen-Anhalt gefördert, haben aber sowohl bei der Planung als auch bei der Umsetzung einen Eigenanteil von zehn Prozent. Das bedeutet bei einem Projekt dieser Größenordnung immer noch eine Summe im Millionenbereich.“ Das ist auch durch den räumlichen Umfang des Vorhabens bedingt, immerhin 50 Quadratkilometer umfasst der Projektraum. Auf dieser Fläche sollen umfangreiche Maßnahmen zur Renaturierung stattfinden. Da geht es etwa um die Anbindung alter Flussschleifen, die durch die Begradigungen abgeschnitten wurden. In Zukunft soll durch sie wieder Wasser fließen und damit Lebensraum erhalten oder wiederhergestellt werden. Viele Tiere, darunter die Rotbauchunke oder die Bekassine, eine Schnepfenart, sind dort zu finden. „Wir wollen aber auch die Aue an sich aufwerten“, führt Heiko Schumacher aus. „Wir wollen die Zahl der Pflanzenarten erhöhen, abgesprochen mit den landwirtschaftlichen Betrieben. Denn diese sehen selbst, wie alles immer mehr austrocknet und dringend etwas getan werden muss.“ Hinzu kommen etwa 100 Kleingewässer in den unterschiedlichsten Größen, die sich in dem Projektraum befinden und teilweise verschlammt sind. Diese wieder zu entschlammen, ist eine echte Herkulesaufgabe. Mehrere hunderttausend Kubikmeter Sediment müssen dort und an den Altarmen entnommen werden. Auch die Rettung von Auwäldern steht auf dem Programm. Dieses Bündel an Maßnahmen bedeutet viel Aufwand, der sich auch in der zeitlichen Planung niederschlägt. Rund zehn Jahre wird das Projekt in Anspruch nehmen. Und auch im Anschluss braucht das Gebiet eine Form der Betreuung und Unterhaltung, damit die Natur dauerhaft intakt bleibt.

Im Rahmen des „Naturschutzgroßprojekts Mittelelbe – Schwarze Elster“ will die Heinz
Sielmann Stiftung in den nächsten zehn Jahren Gewässer und Auen renaturieren.

Investition in die Zukunft

Noch besser wäre es aber, wenn Flüsse und Seen von vornherein besser geschützt wären. An diesem Punkt setzt EuroNatur an bei dem Engagement auf dem Balkan. Als „Blaues Herz von Europa“ wird die Region bezeichnet, wegen der vielen naturbelassenen Flüsse. Während bei uns nur zehn Prozent der Flüsse als naturnah gelten, sind mehr als 80 Prozent der Flüsse Südosteuropas in einem guten oder sehr guten ökologischen Zustand. Doch das könnte sich ändern, von allen Seiten droht Gefahr, wie Annette Spangenberg erklärt, die bei EuroNatur den Programmbereich Fließgewässer leitet. „Nahezu alle Balkanflüsse sollen für die Wasserkraftnutzung ausgebaut werden. Und das ohne Rücksicht auf den ökologischen Wert der Flüsse. Selbst in hochrangigen Schutzgebieten sind Staudämme geplant.“ Dabei kann die Organisation erste Erfolge vorweisen. Einer der größten ist die Ernennung der Vjosa in Albanien zu Europas erstem Wildfluss-Nationalpark. Auch einige unverbaute Nebenflüsse der Vjosa genießen seither strengen Schutzstatus. „Wir haben gemeinsam mit unseren Partnern lange für diesen Tag gekämpft, vor Gerichten, mit Petitionen sowie in Gesprächen mit den Regierungsverantwortlichen und der lokalen Bevölkerung“, so Annette Spangenberg.

Ein großer Erfolg von EuroNatur und den Partnerorganisationen: Die Vjosa
in Albanien wurde zu Europas erstem Wildfluss-Nationalpark ernannt.

Wichtig war es dabei, auch die Menschen vor Ort mitzunehmen und ihnen mit einem Ökotourismus wirtschaftliche Perspektiven geben zu können. Schließlich handelt es sich dabei um eine Investition in die Zukunft, die allen zugutekommen soll. Aber selbst mit diesem Erfolg im Rücken braucht es weiteren Einsatz. Das zeigt das Beispiel der Shushica, eines wichtigen Nebenflusses der Vjosa. 140 Liter Wasser pro Sekunde sollen diesem entnommen und an die 17 Kilometer entfernte Mittelmeerküste nach Himara geleitet werden, um dort den Massentourismus zu fördern. Die Folgen wären dramatisch: Der Oberlauf des Flusses würde im Sommer austrocknen, mit schweren Auswirkungen für die Artenvielfalt und den Wasserstand der Vjosa. Aber auch die Menschen würden dies zu spüren bekommen, allein 30 Dörfer wären betroffen. Umso wichtiger ist die Zusammenarbeit mit Wissenschaft und Öffentlichkeit, damit nicht die Fehler wiederholt werden, die bei uns mit viel Geld und Aufwand berichtigt werden.

Oliver Armknecht

Fotos: Heinz Sielmann Stiftung, EuroNatur / Nick St.Oegger
Der Artikel erschien im Spendenmagazin 2024.

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