Klimawandel, Corona, Ukrainekonflikt, Gaskrise machten klar: Es ist höchste Zeit, klimaneutral zu werden und die Umwelt zu schützen. Doch wie nehmen Umweltorganisationen die Entwicklungen der vergangenen Monate wahr? Und wie können wir hier in Deutschland unseren Beitrag leisten?
Ich hatte gehofft, dass alle Menschen nun aufgrund des Russland-Ukraine-Konflikts und der daraus resultierenden Gaskrise erkennen, dass Klimaschutz die Antworten für die sicherheitspolitische Krise bietet. Den Energieverbrauch zu reduzieren, etwas, das wir schon lange fordern und fördern, ist jetzt genau das, was wir brauchen. Doch die Realität ist anders. Zwar wird der Klimaschutz immer noch viel diskutiert, aber aktuell oft zurückgestellt – nach dem Motto: Wir haben gerade ganz andere Probleme. Dabei bietet er uns eine langfristige und nachhaltige Lösung für genau diese Problemstellung“, erklärt Barbara Metz, Bundesgeschäftsführerin der Deutschen Umwelthilfe e.V.
Die Organisation setzt in ihrer Arbeit bei den Kommunen an. Sie unterstützt kommunale Energieversorger bei der Aufstellung und Optimierung ihrer Klimaschutzstrategien. Darüber hinaus fördert sie gezielt eine klimaschonende Quartiersentwicklung und setzt sich in ihren Projekten zudem dafür ein, den CO2-Ausstoß und Ressourcenverbrauch kommunaler Gebäude und der IT in Kommunen zu verringern. Aktuell erfährt das Thema „Energetische Versorgung und Wärmesanierung“ im Gebäudesektor einen Aufschwung. „Die Kommunen suchen nach Möglichkeiten, wie sie dafür sorgen können, dass die Preise nicht explodieren. Wir beraten sie zum Beispiel im Bereich kommunaler Wärmeplanung“, so Metz.
Kompensation über Klimaschutzprojekte
Auch PRIMAKLIMA hat sich der Reduktion des CO2-Gehaltes in der Atmosphäre verschrieben. Die Organisation begleitet Unternehmen auf dem Weg zur Klimaneutralität und vergibt das PRIMAKLIMA Siegel für den „klimaneutralen Geschäftsbetrieb“ oder den „klimaneutralen Standort“. Grundsätzlich bedeutet Klimaneutralität, dass Unternehmen in ihrer Gesamtbilanz keine Emissionen verursachen. Im besten Fall schaffen es Unternehmen, die Emissionen so weit zu reduzieren und zu vermeiden, dass gar keine Emissionen mehr entstehen. In der Realität ist das oft noch nicht möglich, da die Technologien noch nicht bereitstehen oder Unternehmen noch mehr Zeit brauchen, um Einsparungsmaßnahmen umzusetzen. Um dennoch einen Ausgleich zu den Emissionen zu schaffen, können Betriebe die Emissionen über Klimaschutzprojekte kompensieren.
„Die Nachfrage nach Kooperationen im Bereich der CO2-Kompensation und Klimaneutralität ist bei PRIMAKLIMA konstant hoch. Uns freut die Tatsache, dass kaum ein Unternehmen an uns herantritt, das lediglich die Emissionen kompensieren möchte. Unsere Erfahrung ist vielmehr, dass die Unternehmen eine Klimastrategie sowie eigene Klimaziele verfolgen. Zu unseren Voraussetzungen für eine Kooperation gehört unter anderem eine jährliche Erstellung eines Corporate Carbon Footprint und dessen externe Überprüfung. Darüber hinaus müssen die Unternehmen auf ihrer Website das eigene Klimaschutz-Engagement erläutern und die Maßnahmen zur Erreichung der Klimaneutralität transparent kommunizieren. Denn es muss klar sein, dass die jeweiligen Unternehmen gewillt sind, substanziell zum Klimaschutz beizutragen. Nur so erreichen wir gemeinsam etwas“, erklärt Nina Giaramita, Pressesprecherin von PRIMAKLIMA.
Klimaschutz fängt bei Einzelpersonen an
Wer kein eigenes Unternehmen hat, kann dennoch zum Klimaschutz beitragen und über PRIMAKLIMA für drei Euro einen Baum pflanzen lassen. Das geht nicht nur im Ausland, sondern zum Beispiel auch in Sachsen: Hier wurden im Rahmen eines aktuellen Projekts bereits 2.000 von angestrebten 12.529 Bäumen gepflanzt, die nicht nur CO2 reduzieren, sondern dazu beitragen sollen, dass die Wucht des Wassers bei Starkregen und Sturzfluten abgemildert wird.
„Angesichts der Vielzahl an Krisen in dieser Welt ist es verständlich, wenn man meint, als Einzelner nichts zur Lösung dieser Krisen beitragen zu können. Aber gerade unsere Baumpflanzungen zeigen: Der Einzelne kann sehr wohl etwas tun! Denn durch die Baumspenden können wir in Sachsen Jahr für Jahr für mehr Waldflächen sorgen“, betont PRIMAKLIMA-Sprecherin Nina Giaramita. Diese Wälder blühen und wachsen – auch in Zeiten der Klimakrise. Damit tragen sie wesentlich zum Schutz unserer natürlichen Lebensgrundlagen bei. Und das Wichtigste: Diejenigen, die sich für den Erhalt und Ausbau unserer Wälder einsetzen, tun nicht nur etwas für den Klimaschutz – auch der Artenschutz wird gestärkt. Diese beiden akuten Krisen sind miteinander engstens verzahnt, und wir müssen beiden gleichermaßen begegnen.
Mehr Bewusstsein schaffen
Essenziell ist den Umweltorganisationen zufolge vor allem die Bewusstseinsbildung in der Gesellschaft für ökologische Themen und Zusammenhänge. „Viele denken: Was betrifft es mich, wenn irgendwo eine Käferart ausstirbt? Das tangiert mich doch gar nicht! Die Natur aber ist eine Art Mobile, das jeden Tag vor der Herausforderung steht, sich wieder auszugleichen, wenn der Mensch ein Puzzleteil herausnimmt. Wir versuchen über unsere Arbeit, der Natur das Puzzleteil wieder zurückzugeben“, erklärt Carolin Ruh, Vorständin der Heinz Sielmann Stiftung. Die Organisation verfolgt den Ansatz, die Natur für alle erlebbar zu machen. Deshalb setzt sie sich seit über 25 Jahren für die Sensibilisierung und Bewusstseinsschaffung für die Vielfalt unserer Natur ein und hat sich der Förderung von Naturschutz, Naturerleben und Biodiversität verschrieben.
Die Mission der Stiftung: Menschen an die Natur heranzuführen und über das persönliche Erleben den Weg für einen bewussten Umgang mit Natur und Umwelt zu ebnen. Dies macht sie nicht nur über konkrete Projekte, sondern sie stellt ihr Know-how auch Unternehmen zur Verfügung, die die Stiftung als Inputgeber für Nachhaltigkeitskonzepte und ökologisches Engagement nutzen. Die Volksbank in Niedersachsen stellte daraufhin ihre Mitarbeiterzeitung auf eine digitale Ausgabe um und nutzt die eingesparten Druckkosten, um Bäume auf der Streuobstwiese der Stiftung zu pflanzen.
Einsatz für die Moore
Ein weiterer Fokus der Heinz Sielmann Stiftung liegt auf dem Schutz der Moore, genauer gesagt, dem Quellmoor an der Quellkuppe am Klenzer Mühlbach im Naturpark Flusslandschaft Peenetal, das viele seltene Tier- und Pflanzenarten beheimatet, aber mittlerweile stark geschädigt ist. Als effektiver Kohlenstoff-Speicher sind Moore wie dieses nicht nur für den Erhalt der Artenvielfalt, sondern auch für den Klimaschutz wichtig. Aus diesem Grund ist der Schutz intakter sowie die Renaturierung trockengelegter Moore ein zentraler Punkt der Stiftungsarbeit, die allerdings durch die aktuellen Entwicklungen etwas ausgebremst wird.
„Wir spüren eine Ambivalenz. Ein Großteil unserer Spender und Spenderinnen ist uns trotz der aktuellen Entwicklungen treu geblieben. Die Themen, für die wir stehen, stoßen nach wie vor auf ein riesiges Interesse. Aber wir merken aktuell auch die große Unsicherheit der Menschen, die sich nun mit Spenden zurückhalten, da sie nicht wissen, ob sie ihre gestiegenen Lebenshaltungskosten stemmen können“, so Carolin Ruh.
Die Krise als Chance
Ähnlich geht es auch der Tropenwaldstiftung OroVerde mit Sitz in Bonn. Sie erkennt in den aktuellen Entwicklungen aber auch Chancen. „Mit Sicherheit ist durch die Krisen vielen Menschen deutlich geworden, welche Abhängigkeiten globale Lieferketten erzeugen können und dass regenerative, lokale Energieerzeugung dem entgegenwirken kann. Auch die Gefahr durch Pandemien aufgrund eines verstärkten Verlustes an natürlichen Lebensräumen und Biodiversität wurde in manchen Medien aufgegriffen. Das gibt dem Thema Nachhaltigkeit Rückenwind“, so Birthe Hesebeck, Bereichsleiterin bei OroVerde für Öffentlichkeitsarbeit und Bildung für nachhaltige Entwicklung. Die Tropenwaldstiftung fokussiert sich auf die Themenschwerpunkte Entwicklungszusammenarbeit, Umwelt- und Naturschutz, aber auch Bildungs- und Kampagnenarbeit. Mit Letzterem ist sie auch in Deutschland aktiv und betreibt hier Bewusstseinsarbeit für ihre Themen. Das Spektrum reicht von Ausstellungen, Hintergrundinformationen und Handlungstipps, Spielen und Unterrichtsmaterialien für Schulen bis hin zum wald- und klimapolitischen Engagement.
Hierzulande initiiert und organisiert OroVerde Projekte im Rahmen der „Bildung für Nachhaltige Entwicklung“ (BNE). Mit unterschiedlichen Projekten wie „Hinterm Tellerrand beginnt die Welt“ für Kindergärten, „Regenwald im Einkaufswagen“ und „Weil wir es wert sind“ mit der Zielgruppe benachteiligte Kinder und Jugendliche möchte die Stiftung darauf aufmerksam machen, dass der Regenwald in vielen Produkten unseres alltäglichen Lebens steckt und das Thema uns alle als „Global Citizen“ etwas angeht.
Aktives Handeln erforderlich
Dabei geht es nicht nur um den Regenwald. „In unseren BNE-Projekten geht es uns ganz generell um eine Transformation in Richtung einer nachhaltigen Gesellschaft. Zwar stellen wir immer einen Bezug zum Regenwald her und nutzen auch gerne seine Faszinationskraft, um Lust auf Nachhaltigkeitsthemen zu machen. Genauso wichtig ist uns aber der Bezug zu unserem Alltag. Viele Produkte, die wir täglich nutzen, sind mit dem Regenwald verknüpft, vom Schokoaufstrich über Handys bis zu unserem Fleischkonsum. Das Thema Regenwald fördert also eine globale Perspektive: Anhand der Alltagsprodukte lassen sich weltumspannende Lieferketten, globale Zusammenhänge und deren Auswirkungen betrachten. Zudem ermöglicht das Thema Einblicke in fremde Welten und Lebensverhältnisse und unterstützt Perspektivwechsel und Empathie.
Vor allem aber ist aktives Handeln erforderlich. Selbst für Kinder gibt es hier schon diverse Möglichkeiten, sich zu engagieren oder das eigene Verhalten zu verändern und gesellschaftlich wirksam zu werden“, erläutert Hesebeck. Dabei seien gerade Kinder und Jugendliche in den letzten zehn Jahren klimasensitiver geworden, so der Eindruck der Bereichsleiterin. Aber: „Die Kinder werden natürlich in eine Welt hineingeboren, die alles andere als klimasensitiv ist. Von ihnen wird immer erwartet, dass sie sich dem Verhalten der Erwachsenen bewusst entgegenstellen, zum Beispiel also darum bitten, nicht in den Urlaub zu fliegen und nicht mit dem Auto zur Schule gebracht zu werden. Wir muten also den Kindern zu, unsere Argumente außer Kraft zu setzen, andere Vorschläge zu erarbeiten und dabei auf Bequemlichkeiten zu verzichten. Das halte ich für falsch – es sind immer noch wir Erwachsene, die als Vorbilder vorangehen sollten.“ An Möglichkeiten, etwas zu dem Bereich Klima- und Umweltschutz beizutragen, mangelt es sicherlich nicht.
Bärbel Mees
Fotos: Heinz Sielmann Stiftung, PRIMA KLIMA, Tropenwaldstiftung OroVerde
Der Artikel erschien im Spendenmagazin 2022.