Gesehen werden – Hilfe für blinde Menschen

Noch immer kämpfen Menschen mit Behinderung im Alltag oft damit, nur als Empfänger von Hilfsangeboten wahrgenommen zu werden und nicht auf Augenhöhe als Mitgestaltende dieser Angebote eingebunden zu werden. Einige Hilfsorganisationen legen daher genau darauf ihren Fokus.

Das Deutsche Katholische Blindenwerk (DKBW) ist eine gemeinnützige Organisation, die sich für blinde, sehbehinderte und taubblinde Menschen in Deutschland sowie weltweit einsetzt. Das Leitmotiv der Organisation ist Hilfe zur Selbsthilfe. „Das ist in all unseren Projekten wichtig. Betroffene Menschen sollen die Möglichkeit bekommen, so gefördert zu werden, dass sie an der Gesellschaft teilhaben und ein selbstbestimmtes Leben führen können. Durch Frühförderung, Zugang zu barrierefreier Bildung und kulturellen Ereignissen oder medizinische Versorgung wird das Leben von Betroffenen nachhaltig verbessert. Sie können neue Wege bestreiten und selbstständig werden“, so Jessica Thon, Referentin für Öffentlichkeitsarbeit beim DKBW. Unterstützt werden etwa Schul- und Berufsförderprogramme, Braillekurse sowie Aufklärungs- und Empowermentprogramme. Darunter sind Klassenfahrten der Louis-Braille-Schule in Düren, heiltherapeutisches Reiten für die Schloss-Schule Ilvesheim, ein Blindengarten in Radeberg, ein Barfußpfad für die LVR-Johanniterschule in Duisburg sowie Begegnungswochen für taubblinde, blinde und sehbehinderte Menschen. Ohne finanzielle Hilfe des DKBW wäre dies nicht möglich. Die blinden, stark sehbehinderten und auch oft mehrfach behinderten Kinder und Jugendlichen benötigen besondere Fahrgelegenheiten, Unterkünfte und Betreuung, die nicht überall zur Verfügung stehen und oft erhebliche Mehrkosten verursachen. Herausforderungen gibt es für die gemeinnützige Organisation genug. „Der Radius unseres Wirkens ist zwar – aus finanziellen Gründen – eher klein“, so Thon. Dennoch bewirkt unsere Arbeit, dass zumindest ein Teil der Betroffenen langfristig davon profitiert.“ Auf finanzielle Unterstützung von staatlicher oder kirchlicher Seite kann der DKBW dabei nicht zählen. „Wir finanzieren unsere Projekte ausschließlich durch Spendengelder. Obwohl wir von der Deutschen Bischofskonferenz anerkannt sind, erhält unser Verein keinerlei Spenden oder andere Förderung seitens der Kirche, weder evangelisch noch katholisch. Ebenso erhalten wir keine staatlichen Mittel. Deshalb sind private Spenden für unsere Arbeit entscheidend. Ohne diese können wir unsere Arbeit nicht durchführen.“

Ein junges Mädchen hält ihre linke Hand ganz nah an ihr Gesicht, um einen winzigen Stein, der auf der Handinnenfläche liegt, zu erkennen. Ihre Nase berührt dabei fast die Handfläche.
Das Deutsche Katholische Blindenwerk setzt bei seinem Einsatz für blinde,
sehbehinderte und taubblinde Menschen auf Hilfe zur Selbsthilfe.

Weg von der Abhängigkeit

Hilfe zur Selbsthilfe ist auch ein wichtiger Ansatz bei der Christoffel-Blindenmission (CBM), die vor allem im Ausland tätig ist. Menschen mit Behinderung werden häufig nicht ernst genommen, dürfen nicht mitentscheiden und werden in die passive Rolle eines hilfsbedürftigen Menschen gedrängt. Die Organisation setzt sich dafür ein, dass Menschen mit Behinderungen durch Hilfe zur Selbsthilfe die Chance auf ein selbstbestimmtes Leben bekommen. Nur so können sie selbst aktiv werden und Verantwortung übernehmen. Reine Fürsorgeaktivitäten, die nur Abhängigkeiten aufrechterhalten, entsprechen daher nicht der Entwicklungsphilosophie der Christoffel-Blindenmission.

Aktive Mitgestaltung

Auch beim Deutschen Blindenhilfswerk (DBHW) steht die aktive Mitgestaltung im Vordergrund: „Wir arbeiten, sowohl im Inland als auch im Ausland, intensiv mit Selbsthilfeorganisationen zusammen. Bei Projektentwicklungen oder -entscheidungen ist für uns die Rückmeldung der Zielgruppe sehr wichtig und deren Einbindung ein Grundpfeiler unserer Arbeit. Daher sind Menschen mit Blindheit oder Sehbehinderung in unserer Arbeit keine Empfänger:innen von Hilfsangeboten, sondern Projektpartner:innen, die die jeweiligen Bedarfe festlegen. Hier gilt: mit den Menschen, nicht für die Menschen“, erklärt Simone Henzler, Projektleiterin beim DBHW.

Das Bild zeigt eine verputzte, rötliche Fassade, in die dekorative Blumenmuster in die Oberfläche eingearbeitet bzw. eingeritzt wurden. Eine Kinderhand liegt auf einer dieser Blumenmuster und erfühlt die Struktur.
Das Deutsche Blindenhilfswerk will gerade auch in kulturellen Bereichen wie
Museen und Theatern Barrieren abbauen und integrative Erlebnisse ermöglichen.

Vordergründiges Ziel der Projektarbeit ist die gesellschaftliche Teilhabe von Menschen mit Blindheit oder Sehbehinderung: „Wir haben ein großes Netzwerk mit langlebigen Partnerschaften und arbeiten meistens mit anderen Vereinen, Initiativen oder Einrichtungen aus dem sportlichen oder kulturellen Bereich zusammen. Dabei gibt es keine Einzel- oder dauerhafte Förderung, sondern immer eine projektbezogene Zusammenarbeit.“ So geht es vor allem darum, in kulturellen Bereichen Barrieren abzubauen und integrative Erlebnisse zu ermöglichen. Dazu werden zum Beispiel Ausstellungen mit Beschreibungen ergänzt oder Nachbildungen gebaut. Ein weiterer Punkt ist die Audiodeskription, also die Beschreibung des Bildhaften. Audiodeskription im Theater oder im Film ist eine Kunst, denn die Beschreibung soll nicht zu detailliert sein und das Erlebnis stören. „Ein schönes Beispiel aus unserer Projektarbeit sind die Jungen Filmbeschreiber*innen. Menschen aus einer Schule mit dem Förderschwerpunkt ,Sehen‘ entwickeln die Audiodeskription für kurze Dokumentarfilme und sprechen sie ein. So kommen die Jugendlichen mit einer Kunstform in Berührung, die sie bislang nicht kannten. Die Ausarbeitungen sind zudem sehr anspruchsvoll und fördern Konzentration und Sprachgefühl.“ Ein weiteres Projekt ist „Natur in Beton“: Schüler:innen der Duisburger Johanniterschule gossen unter Anleitung eines Künstlers Betontafeln mit Motiven aus der Tier- und Pflanzenwelt für ihren Schulhof. Die vertieften Formen sind mit den Fingern ertastbar und aufgrund der Größe von Menschen mit Sehrest auch erkennbar. Genau wie das Deutsche Katholische Blindenwerk erhält das DBHW keine Unterstützung der Krankenkassen. „Wir finanzieren uns vor allem über Spenden, Nachlässe, Geldauflagen sowie projektbezogene Zuwendungen, unter anderem auch des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ)“, erklärt Henzler. „Private Spenden sind daher eine wichtige Säule unserer Arbeit.“

Bärbel Mees

Fotos: Deutsches Katholisches Blindenwerk, Deutsches Bildenhilfswerk
Der Artikel erschien im Spendenmagazin 2024.

Gesehen werden – Hilfe für blinde Menschen
Nach oben scrollen