Bei den zahlreichen weltweiten Krisenregionen, die in den Nachrichten sind und Unterstützung benötigen, vergisst es sich leicht, dass auch Menschen in der unmittelbaren Nachbarschaft unsere Hilfe brauchen. Eine Reihe von Organisationen sind dann zur Stelle, leisten schnell und unbürokratisch Unterstützung.
Die Zahlen sind schockierend: Bis zu zwei Millionen Menschen nutzen in Deutschland jedes Jahr das Angebot der Deutschen Tafel. Wie kann es sein, dass so viele nicht in der Lage sind, sich ausreichend Lebensmittel zu leisten, und auf andere angewiesen sind? Besonders alarmierend ist dabei, wie oft gerade auch junge Menschen den Weg zu den Essensausgaben suchen: Über ein Viertel sind unter 18 Jahren. Die rund 60.000 überwiegend ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer, die bei den über 970 Tafeln mit anpacken, übernehmen dadurch eine wichtige Funktion in der Gesellschaft. Sie füllen eine Lücke, welche die Politik trotz der diversen sozialen Absicherungen hinterlässt. Dabei stoßen sie zunehmend an ihre Grenzen: Die Zahl der Kundinnen und Kunden steigt, während die Lebensmittelspenden rückläufig sind. Dass dieses Angebot in dem Umfang angenommen wird, liegt nicht allein an einer zunehmenden Not, sondern auch daran, wie niedrigschwellig die Hilfe ist. An den Tafeln sind alle willkommen, niemand muss sich rechtfertigen oder komplizierte Anträge stellen. Wer Hilfe braucht, der bekommt sie, Solidarität ist hier kein bloßes Schlagwort, sondern gelebte Wirklichkeit.

Helfen, wenn es niemand tut
Diesem Prinzip folgt auch die Hans-Rosenthal-Stiftung. 1987 nach dessen Tod gegründet, setzt sie die Aktion des gleichnamigen beliebten Moderators fort. Dieser hatte sich mit „Dalli Dalli hilft“ bereits für Menschen eingesetzt, die in Deutschland, Österreich oder der Schweiz unverschuldet in Not geraten sind. Bei der Stiftung wird dieses Ziel ebenfalls verfolgt. „Wir sind da, wenn keiner mehr hilft“, verrät Barbara Schudnagies, Geschäftsleiterin der Hans-Rosenthal-Stiftung. „An uns wenden sich Menschen, die bereits Bürgergeld oder EU-Rente erhalten, also im sozialen Gefüge sind, dort aber keine weitere notwendige Hilfe mehr bekommen.“ Dabei ist jeder Fall anders. Das kann eine Therapie sein, die von der Krankenkasse nicht übernommen wird. Wichtig ist, dass in der Satzung festgelegte Kriterien erfüllt werden. Beispielsweise muss überprüft werden, wie groß die Bedürftigkeit der betroffenen Person ist. Eigene Mittel müssen bereits ausgeschöpft sein. Wenn sie mit anderen in einem Haushalt lebt, ist die Situation eine andere, als wenn sie sich allein durchschlagen muss. Wichtig ist auch, dass es sich um einen Antrag handelt zu etwas, das noch anzuschaffen ist. Eine Tilgung bestehender Schulden fällt also nicht darunter, das Geld muss zweckgebunden sein. Ein solcher Zweck könnte auch der behindertengerechte Umbau eines Bades sein. In solchen Fällen kann die Hans-Rosenthal-Stiftung Zuschüsse gewähren. Dabei muss jedoch die Gesamtfinanzierung stehen, etwa durch mehrere Stiftungen, die alle ihren Teil dazugeben. „Wir sind da miteinander gut vernetzt“, führt Barbara Schudnagies fort. „Das Gesamtpaket muss stimmen. Erst dann können wir die Mittel bewilligen und an den Installateur überweisen.“ Im Schnitt sind es um die 100 Personen im Jahr, denen die Stiftung auf diese Weise hilft. Diese können die unterschiedlichsten Anliegen haben. Oft sind es Menschen, die physisch oder psychisch krank sind. Das können solche mit Behinderungen sein oder die durch Gewalt traumatisiert wurden. Jedes Schicksal ist einzigartig und muss individuell betrachtet werden. Denn auch wenn die Stiftung natürlich allen helfen möchte, dafür reichen die Spenden nicht aus.

Hoffnung in Bayern
Eine weitere Stiftung, die in diesem Bereich tätig ist, ist die Marianne Strauß Stiftung. In Gedenken an Marianne Strauß, die Ehefrau des bayerischen Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß, wurde diese 1984 gegründet. Inspiriert von ihrem Engagement für soziale Gerechtigkeit und ihrem Einsatz für Menschen in schwierigen Lebenslagen, hat es sich die Stiftung zur Aufgabe gemacht, speziell Menschen in Bayern zur Seite zu stehen, die aufgrund von besonderen Lebensumständen in Not geraten sind. Die Hilfe richtet sich an Einzelpersonen und Familien, die durch das soziale Netz fallen und keine ausreichende staatliche Unterstützung erhalten. Auch hier ist die Bandbreite groß. Unvorhersehbare Schicksalsschläge wie Krankheit, Arbeitslosigkeit oder familiäre Tragödien können Gründe dafür sein, dass jemand plötzlich Hilfe braucht. Stirbt beispielsweise ein Familienmitglied, kann dies dazu führen, dass die Lebensgrundlage wegfällt. Ganz wichtig ist dabei: Die Stiftung ist nicht auf eine dauerhafte Förderung angelegt, sie stellt keinen Ersatz für reguläre Unterstützungen dar. Vielmehr liegt das Augenmerk auf Menschen, die sich in akuter Not befinden und eine erste Anlaufstelle brauchen, um zumindest kurzfristig wieder handlungsfähig zu werden. Natürlich sind in solchen Fällen auch die sozialen Netze des Staates gefragt. Oft ist der Gang zu den entsprechenden Behörden aber mit viel Bürokratie verbunden, die in solchen Momenten überfordern kann. Und er dauert zu lang. Wer sich vom einen Tag zum nächsten nicht mehr versorgen kann, kann es sich oft nicht leisten zu warten, bis alle Anträge durch sind. Die Marianne Strauß Stiftung setzt an diesem Punkt an und leistet schnell und unbürokratisch Beistand. Gerade in Notsituationen, in denen Menschen schnell Unterstützung brauchen, ist die unkomplizierte Hilfe von enormer Bedeutung. Das bedeutet aber nicht, dass nicht auch an nachhaltigen Lösungen gearbeitet wird. Wie wichtig das ist, ist vielen nicht bewusst. Wer nicht selbst in eine solche Situation geraten ist, unterschätzt die Bedeutung solcher Organisationen und ihres Engagements, das oft unter dem Radar des öffentlichen Interesses geschieht.


auch für Kinder und Jugendliche ein.
Gemeinsam durch die Krise
Zumindest teilweise versucht der Verein Berliner helfen, ebendieses Bewusstsein zu schaffen. Ähnlich wie die Marianne Strauß Stiftung ist auch dieser regional verwurzelt. Hier sind es eben Menschen in Berlin und Brandenburg, die sich in Notsituationen melden können. Dabei handelt es sich um eine 2000 gegründete Initiative der „Berliner Morgenpost“. „Als Regionalzeitung berichten wir nicht nur über Probleme und Missstände in der Stadt, sondern wollen auch helfen, wo es möglich ist“, sagt Petra Götze, die verantwortliche Redakteurin für den Verein. Auch hier geht es darum, Menschen zur Seite zu stehen, die unverschuldet in Not geraten sind. Darunter befinden sich Opfer von Verbrechen oder Unglück. Ein aktueller Fall betrifft einen Wohnungsbrand, das Paar brauchte in Folge dringend eine Unterbringung. Über diesen Fall wurde in der Zeitung auch berichtet. Das wird vereinzelt immer mal wieder getan, um mehr Aufmerksamkeit zu erzeugen. Wer will, kann dann gezielt spenden, um die Betroffenen zu unterstützen. Wer beispielsweise weiß, dass das eigene Geld dem achtjährigen Dean zugutekommt, der seit seiner Geburt schwerbehindert ist, findet leichter Zugang und erkennt, wie wichtig das Engagement ist. Auch eine Frau, die an Multipler Sklerose erkrankt war und sich einen Spezialanzug wünschte, der nicht von den Krankenkassen übernommen wurde, konnte in diesem Rahmen von ihrem Schicksal erzählen.
Aber das ist die Ausnahme. Die meisten Menschen, die auf Unterstützung angewiesen sind, sind der Öffentlichkeit unbekannt, wollen vielleicht auch nicht, dass andere von ihrer Not wissen. „Das trifft gerade auch auf ältere oder kranke Menschen zu, für die es ohnehin schon schwierig ist, um Hilfe zu bitten. Die wollen nicht im Mittelpunkt stehen“, erklärt Petra Götze. Dabei sind sie oft auf Hilfe angewiesen, sei es beim Umbau des Bades oder bei der Anschaffung eines Elektrorollstuhls. Fälle, von denen die Gesellschaft nichts mitbekommt und über die kaum gesprochen wird. Gerade um bei solchen helfen zu können, braucht es dann allgemeine Spenden, die frei verwendet werden können. Davon profitieren nicht nur die Älteren. Vielmehr ist Berliner helfen besonders auch bei Kindern und Jugendlichen aktiv. Regelmäßig und langfristig unterstützt werden Kinder- und Jugendeinrichtungen wie das Haus Jona in Spandau oder das Kinderhaus Bolle in Marzahn. Mit Spendenaktionen wie der Herzfahrt auf dem Tempelhofer Feld und der „Schönen Bescherung“ zur Weihnachtszeit sammelt der Verein gezielt Spenden für kranke und sozial benachteiligte Kinder und Jugendliche. Man versteht sich dabei auch als eine Art Nachbarschaftshilfe, bei der es darum geht, füreinander da zu sein und unter die Arme zu greifen, wenn es das Leben gerade nicht gut mit einem meint. Denn das kann uns allen mal geschehen. Umso beruhigender ist das Wissen, in solchen Situationen nicht allein zu sein.
Oliver Armknecht
Fotos: Alamy, Anke Illing, Reiner Pfisterer, Gebaue, privat
Der Artikel erschien im Spendenmagazin 2024.